„Abendstern“

Micha Ullman, 1966, Stauffenbergstraße/Bolzstraße, Fräsung in Betonplatte

Der „Abendstern“ ist die kleinste Skulptur im öffentlichen Raum Stuttgarts. „Gewesen“ muss man wohl nun dazu setzen, denn im Herbst 2013 sieht es an der Ecke, wo der Abendstern war, so aus:

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Nachtrag vom 15. 3. 2014:

Inzwischen sind am Standort (besser: „Liegeplatz“) des Abendsterns neue Bodenplatten verlegt. Ohne Stern.

Wer kennt sie nicht, die Zeitungsberichte über Putzfrauen, die in Museen moderne Kunstwerke wegfegen, weil sie die Fett- oder sonstigen Müllberge nicht als Kunst erkennen. Leichte Häme über die Künstler und ihre Werke schwingt bei den Autoren und meist doch auch bei den Lesern dieser Meldungen mit. Nun also waren es Bauarbeiter, die ein Kunstwerk zu einem historischen Kunstwerk gemacht haben. Blöd: wahrscheinlich hats keiner gemerkt. Ullmann wollte ein unscheinbares Zeichen setzen und damit ein kurzes Innehalten im Alltagsgewühl. Es war ein wohl zu unscheinbares Zeichen. Wenige Meter weg steht eine potthässliche Bronzeskultpur irgend eines württembergischen Grafen, Königs oder so was, bei der besteht nicht die Gefahr, dass sie versehentlich weggeebaggert wird. Dabei wärs nicht schade drum.

Nachtrag vom 27. 4. 2014

Der „Abendstern“ ist wieder aufgegangen. Inzwischen ist die Baustelle abgeräumt und der Betrieb in „Carls Brauhaus“ brummt. Tatsächlich gibt es noch eine Bodenplatte mit einer Fräsung drin. Siehe Abbildung. Aber: Ist das der „Abendstern“ von Ullmann? Der Glimmer fehlt. Das kann der Zahn der Zeit sein. Die Fräsung ist flacher. Vielleicht wurde die Platte abgeschliffen. Aber: die Fräsung scheint sich auch an einer anderen Stelle der Platte zu befinden. Leider hab ich kein Gesamtbild der bisherigen Platte, damals aber schien die in einer Ecke zu sitzen, heute sitzt sie sehr viel mittiger. Was ist da los?

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4 Gedanken zu „„Abendstern““

  1. Diese E-Mail hab ich am 16.3.2014 die Stadt Stuttgart geschrieben:

    Betr.: zerstörte Skulptur am Schlossplatz

    An der Ecke Bolzstraße/Stauffenbergstraße befindet sich seit Monaten eine Baustelle, inzwischen sind dort z. T. neue Bodenplatten verlegt. Genau dort befand sich die kleinste Skulptur des öffentlichen Raums in Stuttgart. Der „Abendstern“ des Künstlers Micha Ullman. Falls sie das Werk nicht kennen, es handelte sich um eine Fräsung in der Bodenplatte mit eine klitzernden Umrandung.

    Werk wird u.a. im Buch „Skulpturen des 20. Jahrhunderts in Stuttgart“ von Bärbel Küster erwähnt.

    Meine Fragen zu diesem Vorgang:
    – Wer ist für die Baumaßnahme verantwortlich?
    – Wurde die Skulptur bewusst oder versehentlich zerstört?
    – Wurde die Bodenplatte gerettet und befindet sie sich in einem öffentlichen Museum?
    – Wurde der Künstler über die Zerstörung seines Werkes informiert?
    – Ist in nächster Zeit mit der Zerstörung weiterer Skulpturen im öffentlichen Raum Stuttgarts zu rechnen?
    – Welche Skulpturen sind davon betroffen?

    Auf Ihre Antworten bin ich gespannt, für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

  2. Bis zum 28. 4. hab ich keine Antwort erhalten und deshalb nachgefragt:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Sie haben bislang auf meine Anfrage vom 16. März nicht reagiert. Meine Anfrage war aber durchaus ernst gemeint. Deshalb möchte ich zu dieser Anfrage nun noch etwas nachtragen:

    Gestern habe ich nochmal den Platz des „Abendsterns“ aufgesucht. Und überraschenderweise wieder eine Fräsung in einer Bodenplatte vorgefunden. Zunächst glaubte ich, mich getäuscht zu habe und die Skulptur wäre bei Beendigung der Bauarbeiten vor „Carls Brauhaus“ wieder eingesetzt worden. Dann aber verglich ich die neue Fräsung mit einer älteren Aufnahme. Seither bin ich mir nicht sicher, ob es sich um das Originalkunstwerk handelt.

    Ich habe eine alte und eine neue Aufnahme angehängt.

    Dass der Glimmer fehlt, kann der Zahn der Zeit sein.
    Dass die Fräsung flacher ist, könnte durch ein Abschleifen der Bodenplatte passiert sein.
    Dass die Fräsung aber auf der Platte nicht mehr so weit in der Ecke sitzt, wie im Original, dass ist schon seltsam.

    Deshalb interessiert mich:
    Handelt es sich bei der Bodenplatte um das Originalkunstwerk?
    Wurde Prof. Ullmann in die Baumaßnahmen einbezogen?

    Bitte machen Sie sich diesmal die Mühe und beantworten Sie meine Anfrage.

    Vielen Dank:
    Hannes Wirth

  3. Am 6. 5. 2014 kam dann die Antwort:

    Sehr geehrter Herr Wirth,

    wie Sie am beigefügten Mailverkehr erkennen können, hat Ihre Anfrage eine
    kleine Odyssee hinter sich.

    Der „Abendstern“ von Micha Ullman ist der Stadt seit langem bekannt, obwohl
    er seinerzeit ohne Genehmigung in den alten Gehwegbelag eingefräst worden
    ist. Der zwischenzeitlich erlangten Bedeutung der Skulptur gemäß, wurde
    insofern bei der Umgestaltung des Gehwegbereiches in der Bolz- und
    Stauffenbergstraße versucht, das Kunstwerk zu erhalten. Das Original wurde
    zu Beginn der Baumaßnahmen vom Kulturamt gesichert und befindet sich meines
    Wissens nach nun im Archiv des Kunstmuseums am Schloßplatz.

    Bei der nun vorhandenen Einfräsung handelt es sich um eine Neufassung, die
    in Absprache mit Micha Ullman von seinem Künstlerkollegen Alf Setzer, mit
    dem Ullman zu seiner Stuttgarter Zeit zusammengearbeitet hat, angefertigt
    wurde. Die Koordinaten des alten Abendsterns wurden für eine
    originalgetreue Wiedergabe exakt eingemessen.

    Übrigens war der von Ihnen erwähnte Glimmer rings um das Original nicht
    Bestandteil des Kunstwerks, sondern wurde wohl von einem Ullman-Fan
    angebracht. Daher fehlt er auch am neuen Kunstwerk.

    Falls Sie noch weitere Fragen zum Abendstern haben, dürfen Sie sich gerne
    an mich oder Herrn Dieterich vom Kulturamt wenden, dem diese Mail in Kopie
    zugeht.

    (Unterschrieben von einem Mitarbeiter des Tiefbauamtes)

  4. Sehr geehrte Damen und Herren ,

    Diese Skulptur von Micha Ullman habe ich genau ausgemessen und genauso wie sie war ausgeführt. Der ursprüngliche Belag war Beton und jetzt ist es Granit.
    Ich habe mich gefreut, diese Seite zu finden, und fing gleich an die Skulpturen zu durchsuchen, war allerdings sehr enttäuscht, dass sehr viele Skulpturen gezeigt werden, ohne den Bildhauer zu nennen. (Die Abbildungen sind meist sehr klein und wenig aussagekräftig.) Ich kann mir auch vorstellen, dass einige Künstler einfach in Vergessenheit geraten sind, aber viele werden einfach nicht genannt, obwohl diese bekannt sind. Es ist sehr ärgerlich und macht keinen Spass. Kunst im öffentlichen Raum wird hier in Stuttgart, wie auch diese Seite zeigt, nicht gut betreut.
    Ullman’s Abendstern ist eine große Ausnahme.

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